Zusammenfassung/Besonderheiten
Das kleine Gemälde einer ländlichen Szene entstand wohl als Vorstudie zu dem späteren Werk Ferme à Saint-Parize-le-Chatel, 1862 [vgl. Stein 2003]. Es handelt sich um ein besonders offenmaschiges Gewebe, das im aufgespannten Zustand grundiert wurde. Auf diesem hellen Malgrund legte Jongkind ohne erkennbare Unterzeichung zunächst in der Untermalung mit bräunlichen bis grünlichen Farbtönen die Licht- und Schattenbereiche der Szene fest, um sie dann im weiteren Malprozeß immer detaillierter auszuformulieren.
In allen Randbereichen der Malerei sind bei mikroskopischer Betrachtung blaue Fasern zu erkennen, die in der Malschicht eingebettet und teilweise von nachfolgenden Farbschichten abgedeckt sind (Abb. 11). Vergleichende mikroskopische Betrachtungen zeigen eine große Ähnlichkeit des Materials zu den Fasern von so genanntem „Indigopapier". Das Papier hatte offenbar bereits Kontakt mit der noch feuchten Malschicht. Denkbar wäre, dass das Objekt im Freien begonnen wurde und z.B. für einen Transport in das Atelier zum Schutz in ein Indigopapier eingeschlagen wurde. Die Fasern wurden besonders im Randbereich in die Farbschicht gedrückt. Vermutlich wurde das Gemälde im Atelier ausgearbeitet und fertig gestellt. Die Malerei entstand insgesamt zügig, auch das Abdecken bzw. Korrigieren kleiner Bildelemente spricht für eine schnelle Arbeitsweise.
Eine Besonderheit stellt das rückseitig aufschablonierte Firmenzeichen dar, dessen Ausrichtung und Position der horizontalen Verwendung des Bildträgers im Standardformat 4 (Porträt) entspricht. Trotz großer Ähnlichkeiten mit den herkömmlichen Marken von Malutensilienherstellern und -händlern handelt es sich um eine Firma, die unter dem Namen Beugniet Ad. 1847 zunächst als Rahmenmacher in der Rue Lafitte 18, 1851 dann wenige Häuser weiter unter der Nummer 10 neue Räume bezog [vgl. Constantin 2001, S. 51]. Die mit neuer Adresse nachweisbare Betätigung der aus mehreren Familienmitgliedern bestehenden Firma Beugniet als Kunsthändler und so auch bei unserer Marke darauf verweisende Überschrift „Tableaux Aquarelles" könnte Hinweis darauf sein, dass dieses Gemälde von Jongkind dort erstmals zum Verkauf angeboten wurde und in diesem Zusammenhang den Stempel erhielt. Nicht gänzlich auszuschließen ist allerdings auch, dass die Firma Beugniet mit ihrer ab 1862 nachweisbaren Beschäftigung auf dem Gebiet der Restaurierung, das bereits 1861 von Jongkind signierte Bild restauratorisch behandelte und/oder mit einem Zierrahmen versah und in diesem Zusammenhang rückseitig ihr Firmenzeichen hinterließ.
Johan Barthold Jongkind
In der Umgebung von Nevers, 1861, Öl auf text. Träger, 24,7 x 32,8 cm, WRM Dep. FC 666
Johan Barthold Jongkind
geb. am 3. Juni 1819 in Lattrop (in der heutigen Gemeinde Dinkelland, Overijssel),
gest. am 9. Februar 1891 in la Côte-St-André, Frankreich
Abb. 02
Rückseite
Abb. 03
UV-Fluoreszenz-Aufnahme
Abb. 04
Rückseite, die unterschiedlich dichten Farbaufträge werden im
Durchlicht erkennbar
Abb. 05
Detail, Signatur und Datierung
Abb. 06
Detail der Rückseite, Kunsthändlerstempel Beugniet (?)
Abb. 07
Detail im Streiflicht, die durch die Gewebetextur stark betonte Oberflächenstruktur im Bereich der Signatur
Abb. 08
Detail der Figur, Jongkind verwendete Konturlinien zur Akzentuierung
Abb. 09
Detail der Bildkante, Auftragsweise von Grundierungs- und
Farbschichten wird erkennbar
Abb. 10
Offenmaschiges Gewebe mit erkennbaren Leimhäutchen der Vorleimung in den Fadenzwischenräumen und Stempelfarbe des händlerstempels, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 11
Blaue Fasern in und unter den Farbschichten entlang der Bildränder weisen auf eine Verpackung mit blauem Papier
in unfertigem Zustand, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 12
Siegelzeichen „A“ des nicht näher identifizierten rückseitigen Siegels auf der Oberkante des Spannrahmens
(vgl. Abb. 2), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)