Zusammenfassung/Besonderheiten
Das Gemälde mit Blick auf die Industriegebäude am Ufer der Seine zählt zum Frühwerk Gauguins [Wildenstein 1964, Kat-Nr. 15, Wildenstein 2001, Kat.-Nr. 18]. Im Jahre 1875, Gauguin arbeitete noch an der Börse, entstand Die Seine beim Pont de Grenelle. Weitere sieben Jahre sollte er im folgenden die Malerei nebenher betreiben, bevor er sich 1882 endgültig entschied, dem Bankberuf den Rücken zu kehren. Das Gemälde zählt zu den wenigen Holztafeln im Œuvre Gauguins. Dabei benutzte er eine gewerblich vorgefertigte Mahagonitafel (frz. acajou), zu der offenbar auch die helle, gebrochen weiße Grundierung gehört (Abb. 8). Eine rückseitige Schablonierung weist die Tafel als Produkt der Firma Latouche aus, obgleich das Format keinem der bekannten Standardmaße entspricht (Abb. 2, 4). Hinweise auf eine Reduzierung eines ursprünglichen Standardmaßes auf die heutige Größe liegen nicht vor. Bevor die malerische Ausarbeitung erfolgte, griff Gauguin zu einer perspektivischen Fluchtpunktkonstruktion im Bereich der Gebäude, augenscheinlich ausgeführt mit Stift und Lineal. Dies zeigt sich deutlich im Infrarotreflektogramm, bei mikroskopischer Betrachtung fehlen jedoch eindeutige Hinweise zur weiteren Charakterisierung des Zeichenmittels (Abb. 9). Es folgten sehr dünne, lasierende Untermalungen (frz. ébauche) in Teilbereichen, mit intensivem, grob pigmentierten Rotocker und Grünbraun (Abb. 10). Die übrige Malerei wurde zügig nass in nass, einschließlich der Signatur, ausgeführt. Da- bei durchmischen sich einzelne Farben erst auf der Tafel selbst, z.B. im Bug des Kahnes im Vordergrund. Die Strichführung ist gut ablesbar, jedoch wenig pastos, dabei dient die helle Grundierung immer wieder als Reflektor dank der dünnen Schichtstärke der Malerei. Erst bei mikroskopischer Vergrößerung wird die Verwendung von rotem Farblack erkennbar. Einzelne grüne, braune oder schwarz erscheinende Farbaufträge beinhalteten ursprünglich deutliche Rotakzente. In feinen Rissen und Sprüngen dieser mikroskopisch wie aufgebrochen wirkenden Farbaufträge wird ein vormals himbeerroter Farblack sichtbar, der sich mittlerweile in eine weißlich pudrige, teilweise schaumartig wirkende Substanz verwandelt hat (Abb. 12). Die Art des Farblacks konnte nicht zweifelsfrei analysiert werden, jedoch scheint nach jüngsten Untersuchungen an Gemälden Van Goghs oder auch Guillaumins der Zusatz von Stärke neben dem öligen Bindemittel für ein starkes Ausbleichen und strukturelle Veränderungen ent- sprechender Farbschichten verantwortlich zu sein [Bommel/Geldorf/Henriks 2005, Burnstock/Lanfear/Berg, 2005]. Es existieren im übrigen zwei weitere Arbeiten des gleichen Motives in ähnlichem Format und ebenfalls auf Holz ausgeführt: Eine unsignierte Studie mit identischer Darstellung und weitaus skizzenhafterem Charakter unter dem Titel Le Port de Grenelle - I [Wildenstein 2001, Kat.Nr. 17] sowie ein Ausschnitt des Motivs mit dem Titel Les Usines Cail et le Quai de Grenelle [Wildenstein 2001, Kat.Nr. 16].
Paul Gauguin
Die Seine beim Pont de Grenelle, 1875, Öl auf Mahagoni, 30,6 x 45,7 cm, WRM Dep. FC 744
Paul Gauguin
geb. 7. Juni 1848 in Paris,
gest. 8. Mai 1903 in Atuona auf den Marquesas-Inseln
Abb. 02
Rückseite mit schwach lesbarem Händlerstempel (vgl. Abb. 4)
Abb. 03
UV-Fluoreszenz-Aufnahme
Abb. 04
Details, Händlerstempel der Firma Latouche im Auflicht und unter UVAnregung (unten)
Abb. 05
Details, nass in nass aufgetragene Signatur in Auflicht und unter UV-Anregung, oben links Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 06
Details, rückseitige Herstellungsspuren auf dem Holzbildträger, oben im Streiflicht, unten Spur einer Befestigung (Pfeil)
Abb. 07
Detail, Streiflicht, unter der intakten Bildschicht ist eine Delle im Holzbildträger erkennbar
Abb. 08
Gebrochen weiße Grundierung der Tafel entlang der Unterkante
in Fehlstelle, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 09
Konstruktive Unterzeichnungslinien werden im Infrarotreflektogramm erkennbar, nur vereinzelt scheinen diese durch die Malschicht hindurch, Mikroskopaufnahme
(M = 1 mm)
Abb. 10
In Auslassungen der aufliegenden Farbschichten wird jeweils eine dünne farbige Untermalung (frz. ébauche) sichtbar,
Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm)
Abb. 11
Nass in nass aufgebrachte Farbaufträge am Übergang von Häuserzeile zum Himmel, die nacheinander aufgetragen
wurden; abschließend erfolgten noch kleinere Akzente , Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 12
Kartierung und Mikroskopaufnahme (M = 1 mm) bezeugen
Veränderungen der Malschichten, die rote Farblacke enthalten