Zusammenfassung/Besonderheiten
Dieses Bild einer provencalischen Landschaft in Grün-, Ocker- und Braunviolett-Tönen erwarb Ambroise Vollard, der 1895 die erste große Cézanne-Ausstellung organisierte, direkt vom Künstler [Rewald 1996, Vollard Photo-Archiv Nr. 333]. Dabei machen nicht nur die zahlreichen, bis auf den Stamm nicht weiter ausgeführten, Bäume im Bildvordergrund, sondern auch die vielfach unbemalte, graue Grundierung darauf aufmerksam, dass die Malerei von Cézanne früh im Arbeitsprozess abgebrochen wurde und das Gemälde als unvollendet anzusehen ist. Besonders gut ist die Abgrenzung von Farbaufträgen und Grundierung unter UV-Strahlung erkennbar (Abb. 4). Cézanne setzte für die Mehrzahl seiner Werke in den 1870er und 80er Jahren farbig getönte Gründe beispielsweise in creme, ton clair, gris oder auch écru ein [Callen 2000, S. 81] und Rewald meint, dieselbe graue Grundierung in einem weiteren Gemälde Cézannes aus dem gleichen Jahr wiederzuerkennen [Rewald 1996, Nr. 409, Bd. 1, S. 271].
Unvollendete Gemälde erlauben oftmals einen ganz unmittelbaren Einblick in das Schaffen eines Künstlers, insbesondere in Cézannes Werk und Leben ist das Unvollendete nahezu Kennzeichen seiner Arbeit geworden [Ausstellungskatalog Cézanne, Vollendet Unvollendet, 1999]. Bei diesem Werk lassen sich daher bestens die einzelnen Arbeitsschritte ablesen. So hat er die Komposition auf dem locker gewebtem, vorgrundierten Gewebe (Abb. 6) im Standardformat F10 mit einer umfangreichen und differenzierten Unterzeichnung, wie häufig in seinem Werk dieser Zeit zu beobachten, genauestens vorbereitet: Er skizzierte zunächst mit Blei- bzw. Graphitstift alle wesentlichen Bildelemente. Anschließend zog er dann in lavierendem Braungrau und Blau zur Absicherung des Motivs mit dem Spitzpinsel alle Konturen nach und akzentuierte weitere Details (Abb. 5, 8).
Die wenigen, durchweg nass in nass aufgetragenen Farbaufträge geben Anlass zu der Vermutung, dass die farbige Ausführung Ergebnis einer einzigen Arbeitssitzung ist. Cézanne hatte begonnen, die gesamte Bildfläche sowohl mit dünnen, blockartigen Farbaufträgen als auch mit oftmals diagonal schraffierenden Pinselstrichen zunehmend zu füllen und diese zu gliedern (Abb. 9, 11). Ein Vergleich mit der motivisch eng verwandten Landschaft im Westen von Aix-en-Provence (WRM 3188), einem weiteren Gemälde Cézannes im Bestand des Wallraf, das etwa acht Jahre später entstand und malerisch weitaus ausgearbeiteter ist, bietet sich an.
Paul Cézanne
Landschaft bei Aix-en-Provence, ca. 1879, Öl auf text. Träger, 46,2 x 55,3 cm, WRM Dep. FC 658
Paul Cézanne
geb. 19. Januar 1839 in Aix-en-Provence,
gest. 22. Oktober 1906 ebenda
Abb. 02
Rückseite, doubliert
Abb. 03
Streiflicht
Abb. 04
UV-Fluoreszenz-Aufnahme
Abb. 05
IR Reflektogramm
Abb. 06
Detail der rechten, unteren Bildecke, Streiflicht, netzartige Gewebestruktur
Abb. 07
Graue Grundierung, gut erkennbare Pigmentierung sowie dominante Craquelébildung, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 08
Mehrstufige Unterzeichnung mit Blei- bzw. Graphitstift und nachfolgend verdünnter Farbe, Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm)
Abb. 09
Bildvordergrund mit erster malerischer Anlage der Baumstämme
Abb. 10
Grün ausgemischte Farbschicht mit zwei verschiedenen Pigmentierungen, laut VIS-Spektrometrie handelt es sich offenbar um ein Kupfergrünpigment (1) und Chromoxidhydratgrün (2), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 11
Grüne Farbaufträge mit unterschiedlicher Strichführung, dicht strichelnd und in diagonal geführten Pinselbewegungen,
Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 12
Bogenförmig aufgetragene, gestaffelte Pinselstriche in Aufund leichten Streiflicht, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)