Zusammenfassung/Besonderheiten
Die Themsebrücke, 1865 aus Backstein und Gußeisen gebaut, verbindet den Hampton Court Palast mit dem Örtchen East Molesey. Während Sisleys viermonatigem Aufenthalt in Hampton bei London entstanden 1874 noch zwei weitere Gemälde von der erst neun Jahre zuvor gebauten Brücke und deren direkter Umgebung [Daulte 1959, Kat.Nr. 124 u. 125]. Vom Standort des Malers aus blickt man vom niedrigen Ufer unterhalb der Brücke schräg gegenüber auf eine Gebäudegruppe, die sich entlang der Straße aufreiht. Die rechte Hälfte des Gemäldes zeigt das grüne, belebte, jenseits der Wasserfläche liegende Ufer unter großen Bäumen von einem klaren blauen, sommerlich bewölkten Himmel überzogen. Die von links schräg in die Tiefe führende Brücke ist ein bei Sisley wiederholt anzutreffendes Motiv, das er erstmals 1872 in einer Darstellung der Brücke von Villeneuve-la-Garenne verarbeitete [Daulte 1959, Kat.Nr. 37]. Anscheinend vor Ort erwarb Sisley für das Gemälde einen handelsüblich vorgrundierten Bildträger in landscape size (24,0 x 18,0 inch) der englischen Firma Winsor & Newton, deren Firmenstempel auf der Geweberückseite zu finden ist [vgl. Winsor & Newton 1863, S. 117] (Abb. 2, 14). Auf der hellen, warmgrauen Grundierung skizzierte der Künstler wohl zunächst die Komposition mit Kohle, bevor er mit recht dünner und flüssiger Farbe die wesentlichen Flächen vorlegte (Abb. 11). Hierauf differenzierte er die Darstellung nach und nach mit lebhaften Pinselstrichen. Neben dem Pinsel verwendete er vereinzelt auch ein ritzendes Instrument (vermutlich Pinselstil) und präzisierte damit einige Konturen in der noch frischen Farbe (Abb. 9). Im Bereich des Himmels spielt die hellgraue Grundierung vielfach mit in die Bildwirkung hinein. Jedoch lässt sich bei näherem Hinsehen erkennen, dass es sich hier nicht nur um bloße Auslassungen der Malschicht handelt, sondern die schon leicht angetrocknete Farbe offenbar vielerorts abgeschabt oder mit einem Tuch entfernt wurde (Abb.12). Unklar ist, ob Sisley diesen Effekt bewusst anwendete oder ob unbeabsichtigt in die frische Farbe gelangte Fremdkörper der Grund für diesen Eingriff waren. Der Künstler signierte das Werk im Zuge der letzten Farbaufträge, so dass sich der Schriftzug stellenweise nass in nass mit den darunterliegenden Farbaufträgen vermischte (Abb. 6).
Alfred Sisley
geb. am 30. Oktober 1839 in Paris,
gest. am 29. Januar 1899 in Moret-sur-Loing
Abb. 02
Rückseite mit Detail des Firmenstempels von Winsor & Newton (Ansicht um 180° gedreht), auf der Rückseite des Gemäldes zeigen sich die Befestigungsspuren und Reste eines Sicherungssystems aus den 60er/70er Jahren: zwei mit Wachsmischung aufgeklebte Metallfolienstreifen
Abb. 03
Streiflicht
Abb. 04
Durchlicht
Abb. 05
UV-Fluoreszenz-Aufnahme
Abb. 06
Details der Signatur, die nass in nass erfolgte, im gleichen Zuge wie einige letzte, den Schriftzug überlappende Farbakzente, Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm)
Abb. 07
Details des Gewebeumspanns mit Auftragsrand von Vorleimung (1) und zweischichtiger Grundierung (2 und 3), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 08
Kartierung der Befundstellen der Kohleunterzeichnung: Die Partikel können mit Hilfe des Stereomikroskops deutlich nachgewiesen werden, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 09
Detail der Brücke im Auflicht (oben), Durchlicht (mitte) und Streiflicht (unten) mit der in die frische Farbe geritzten Bogenkontur
Abb. 10
Detail der Figurengruppe im Streiflicht (oben) und im Durchlicht (unten)
Abb. 11
Detail des Baumes im Auflicht (oben) und Durchlicht (unten), hier ist die erste flächige Anlage mit zügigen grünen Pinselstrichen deutlich unter den anschließenden Farbaufträgen zu erkennen
Abb. 12
Kartierung und Detail der nachträglich manipulierten bzw. entfernten Farbschichten, an diesen Stellen ist die Grundierung sichtbar
Abb. 13
Detail der Rückseitenbeschriftung auf Umspann und Keilrahmen im Auflicht (oben) und im Infrarotreflektogramm (unten)
Abb. 14
Ausschnitt der Verkaufsliste von Winsor & Newton aus dem Jahr 1863 mit den Maßangaben der handelsüblich vorgefertigten und grundierten Leinwandbildträger