Zusammenfassung/Besonderheiten
Dünne Farbwülste entlang der Ränder, seitliche Befestigungsspuren am Bildträger sowie frühe Verpressungen der wenigen Weißpastositäten legen eine Entstehung dieser kleinformatigen Studie in einem Malkasten nahe (Abb. 4, 9).
Rasche, dynamische Farbaufträge mit recht breiten Pinseln kennzeichnen die reduzierte Farbpalette, vorherrschend sind stark kontrastierende Blau- und Cremetöne, ergänzt durch Braun und Grün. Auffällig ist die häufig diagonale Pinselführung des in vielen Bereichen extrem stark ausgestrichenen, vorwiegend cremigen Farbmaterials (Abb. 7). Aufgrund der geringen Farbmenge, die Seurat für die erste Anlage des Gebäudes und der Figuren aufbrachte, vermischen sich nicht alle Farbaufträge der mit größter Wahrscheinlichkeit nach in einer Sitzung entstandenen Malerei nass in nass. Die Skizzierung in dünner dunkelblauer Farbe liegt z. T. unberührt unter den nachfolgenden Pinselstrichen, ein Indiz auch für eine schnelle Trocknungszeit (Abb. 8).
Der Bildträger aus Pappelholz, einem sogenannten Panneaux d’Etude nahe dem Standardformat P2, wurde von Seurat für diese Straßenszene wiederverwendet. Bevor diese Studie entstanden ist, deckte der Künstler mit einer hellen Farbschicht in dominantem, unregelmäßigem Pinselduktus eine unterliegende Malerei ganzflächig ab. Diese gebrochen weiße Trennschicht dient als Grundierung für die sichtbare Komposition. Nur entlang der Bildkanten weisen partiell dunkle Blau- und Grüntöne sowie ein Rotbraun auf dem ursprünglich ungrundierten Holz auf die verworfene Skizze hin (Abb. 6). Vereinzelt geben auch feine Frühschwundriss- und Runzelbildungen in der sichtbaren Malschicht Hinweise auf diese Erstnutzung. Die Röntgenaufnahme des verworfenen Entwurfes zeigt einzelne pointillistische Farbaufträge, eine konkrete Darstellung ist aufgrund der geringen Absorption nicht ablesbar (Abb. 3). Rückseitig findet sich in Form der Ziffer ‚26’ eine historische Beschriftung, die die posthume Erfassung der Studie angibt (Abb. 5).
Georges Seurat
geb. am 2. Dezember 1859 in Paris,
gest. am 29. März 1891 ebenda
Abb. 02
Rückseite
Abb. 03
Röntgenaufnahme belegt die Zweitverwendung
Abb. 04
Detail im Streiflicht, Duktus der Malschicht und Verpressungen der Pastostiäten sind offensichtlich
Abb. 05
Detail der rechten unteren Ecke: die Beschriftung ‚26’ verweist auf die Erfassung durch den Nachlassverwalter (um 180° gedreht angebracht)
Abb. 06
Grün ausgemischte Farbschicht der Erstbemalung entlang der Bildkante (1), gebrochen weiße Trennschicht (2), sichtbare Malerei (3), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 07
Farbaufträge vermischen sich nass in nass, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 08
Dünne Farbaufträge erfolgten auch auf bereits angetrocknete Schichten, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 09
Frühschwundrisse in der Trennschicht wurden partiell in einer zeitlich nicht zu bestimmenden Restaurierung retuschiert, Mikroskopaufnahme
Abb. 10
Fehlstelle im Randbereich indiziert eine Entstehung im Malkasten (Kartierung, rote Markierung), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 11
Fragmentarischer, nicht näher identifizierter historischer Papieraufkleber von ursprünglich ovaler Form, Mikroskopaufnahme (M=1 mm)