Zusammenfassung/Besonderheiten
Renoir verwendete für das Gemälde Das Paar, vormals bekannt unter dem Titel Das Ehepaar Sisley oder Die Verlobten, ein vorgrundiertes Gewebe, das bereits vollständig bemalt war. Erste Indizien dafür sind im Streiflicht deutlich abweichende Pinselstriche unter der sichtbaren Malerei sowie ein ausgeprägtes Netz von Frühschwundrissen und Altersprüngen, welche bereits Einblick in darunter liegende, farbig abweichende Malschichten gewähren (Abb. 11). Eine zeitnahe Übermalung des verworfenen Motivs mit den Portraits von Alfred Sisley und Lise Tréhot, Renoirs Lieblingsmodell, wird zunächst durch die breiten Frühschwundrisse belegt. Aber auch eine maltechnisch bedingte, partielle Runzelbildung, vorwiegend im grünen Hintergrund, verweist auf die mangelnde Trocknung unterliegender Farbschichten (Abb. 8).
Die Röntgenaufnahme offenbart die Darstellung zweier Frauen, die sich gegenübersitzen und das unveränderte Bildformat weitgehend ausfüllen (Abb. 4). Die linke Person – hochgestecktes Haar und Kleid identifizieren sie als Frau – wendet sich vom Betrachter ab, die Rückenlinie markiert sich im Streiflicht deutlich im Ärmel Sisleys (Abb. 8). Ein Stuhl mit runder Rückenlehne ist ebenfalls erkennbar. Im Bereich ihrer Hände verhindert die starke Absorption von Röntgenstrahlung der Zweitbemalung zu erkennen, ob sie mit Lesen oder Handarbeiten beschäftigt ist. Die zweite Figur erscheint im Röntgenbild weniger weit ausgeführt, Kopf und Oberkörper mit schmalen Schultern sind in frontaler Ansicht gezeigt. Insgesamt war die Malerei offenbar bereits wesentlich ausgearbeitet, bevor die Darstellung der beiden Frauen aus unbekannten Gründen verworfen wurde. Zwei rotbraune und grüne Trennschichten wurden vollflächig übereinander aufgebracht, um die Malerei abzudecken und einen neutralen Untergrund für die anschließende Darstellung des Paares zu schaffen (Abb. 10).
Zeichen mechanischer Reduktion der ersten Bildanlage liegen nicht vor, wie beispielsweise Monet sein Vorgehen beim Revidieren seiner Gemälde bezeugt [Kendall 2004, S. 120] oder das für eine Überarbeitung vorgesehene Portrait der kleinen Sara von Mary Cassatt in der Sammlung des Wallraf (WRM Dep. FC 697) belegt.
Im Œuvre Renoirs findet sich bislang kein Gemälde, das eine mit dem Röntgenbild übereinstimmende Komposition erkennen lässt. Bazilles Gemälde Atelier in der rue Condamine von 1870, im Besitz des Musée d‘Orsay in Paris, zeigt in der Röntgenaufnahme die abgedeckte Darstellung einer Diana mit Pfeil und Bogen, wie sie auch Renoir in seinem Gemälde Diana als Jägerin, 1867, im Bestand der National Gallery of Art in Washington, ausführte (Abb. 14, 15). Distel schließt hierbei nicht aus, dass es sich um eine Studie von Renoir handelt, die Bazille übernahm und mit seiner Studiodarstellung übermalte [Distel 1985, S. 180]. Da sich in den Jahren von 1866 bis 1870 Bazille, Renoir und Monet zeitweise Atelierräume teilten [Néret 2001, S. 431], galt es auch für den vorliegenden Fall zu prüfen, ob nicht etwa Bazille oder Monet für die Autorschaft der verworfenen Komposition in Frage kommen. Allerdings bieten sich auch hierfür bis dato keinerlei Anhaltspunkte im Schaffen beider Künstler.
Die sichtbare Malerei ist durchweg nass in nass ausgeführt und unten links in der noch feuchten Farbschicht von Renoir signiert. Eine bereits frühe Rahmung dieses Gemäldes, dessen Provenienz in den ersten 30 Jahre nach Fertigstellung allerdings im Dunkeln liegt, markiert sich durch umlaufende Verquetschungen der Malschicht entlang der Ränder.
Auguste Renoir
geb. am 25. Februar 1841 in Limoges,
gest. am 3. Dezember 1919 in Cagnes
Abb. 02
Rückseite, doubliert
Abb. 03
UV-Fluoreszenz-Aufnahme
Abb. 04
Röntgenaufnahme
Abb. 05
Detail, nass in nass gesetzte Signatur, Mikroskopaufnahme
(M = 1 mm)
Abb. 06
Grundierung, im Randbereich mit sichtbarem Pinselduktus,
Mikroskopaufnahme im Streiflicht (M = 1 mm)
Abb. 07
Nass in nass vermalte Farbaufträge der sichtbaren Darstellung
(Auge Lise Tréhots), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 08
Detail, Streiflicht, Pinselduktus der verdeckten Malerei sowie Grenze zwischen Frühschwundrissnetz und Runzelbildung wird sichtbar (rechter Ärmel des Gehrocks Sisleys)
Abb. 09
Detail im Streiflicht, abweichender Pinselduktus der verdeckten Darstellung wird sichtbar (Rocksaum)
Abb. 10
Übermalte grüne Farbschicht der Trennschicht wird entlang des
Umspanns partiell nicht ganz abgedeckt, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 11
Detail, Frühschwundrissnetz in der grünen Farbschicht rechts neben Lise Tréhot gewährt Einblick auf eine darunterliegende rote Farbschicht, die zum Kleid der abgedeckten rechten Figur zählt, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 12
Frühschwundriss, Untersuchung der Schichtenabfolge zeigt von oben nach unten sichtbare schwarze Farbschicht des Gehrocks Sisleys (Zweitverwendung), grüne und rotbraune Trennschichten, graue Farbschicht des Kleides der linken Frau
(Erstverwendung), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)
Abb. 13
Fotocollage aus sichtbarer Darstellung und Röntgenaufnahme,
mit Kartierung der Farbigkeiten der verdeckten Darstellung
der zwei Frauen (Erstbemalung)
Abb. 14
Frédéric Bazille, Atelier in der rue Condamine, 1870,
H 98,0 x B 128,0 cm, Musée d'Orsay, Paris
Abb. 15
Röntgenaufnahme zu Abb. 14 (um 90° gedreht), verworfenes Motiv der Diana wird sichtbar