Zusammenfassung/Besonderheiten

Das ein Jahr vor der Veröffentlichung von Signacs berühmter Schrift „D´Eugène Delacroix au néoimpressionnisme“ [Signac 1899] entstandene hochformatige Bild zeigt in klassischer Komposition einen Hafen der italienischen Riviera (Abb. 1). Auf dem dünn grundierten Gewebe mit deutlich erkennbarer Webstruktur plante Signac mit Pinsel und blauer Farbe alle Formen der Komposition (Abb. 8). Die Malerei setzt sich aus einer Vielzahl von meist pastosen Pinselstrichen und -tupfen zusammen. Die einzelnen Farbaufträge verdichten sich durch den stufenweise erfolgten Auftrag vor allem in dunkel gestalteten Kompositionselementen bis zu maximal vier übereinander liegenden oder überschneidenden Farbschichten (Abb. 9-10). Eine reiche Differenzierung der Farbzellen in ihrer Auftragsdichte, Größe und Richtung ist besonderes Kennzeichen dieses Gemäldes. Innerhalb eines Motivs bleibt eine Richtung der Farbaufträge bestimmend. Da sich farblich voneinander abweichende Farbaufträge an den Grenzflächen nur selten mischen, ist nicht nur von einem Schaffensprozess in mehreren Arbeitsgängen, sondern auch einer Entstehung dieser Arbeit im Atelier auszugehen. In seinem Tagebuch bekundet Signac, dass er für das Gemälde Capo di Noli eine „extreme Polychromie“ erzielen wollte und zur Vorbereitung einer möglichst brillianten Farbwirkung Proben von gefärbter Seide benutzt hat [Ferretti-Bocquillon 2001, S. 228]. Getreu seiner eigenen farbtheoretischen Grundsätze benutzte Signac für dieses Bild die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett, die er entweder rein, mit Weiß oder aber allenfalls mit den im Spektrum des Lichts benachbarten Farben ausmischte. Eine systematische Vorgehensweise lässt sich in der Gestaltung der Lokal-, Licht- und Schattentöne der einzelnen Darstellungen ablesen. Häufig anzutreffen sind Kombinationen von zwei im Spektrum nebeneinander liegenden Farben, denen die jeweiligen Komplementärfarben in Schattenpartien gegenüber gestellt sind. Eine Besonderheit stellt eine nachträgliche, vermutlich jedoch autographe Überarbeitung des Gemäldes in den umlaufenden Randbereichen dar. Dort verläuft parallel im Abstand von 0,6-1,2 cm zum äußeren Bildrand eine feine Bleistiftlinie auf der Malschicht, die vielfach von darüber liegenden Farbstrichen bedeckt wird. Die einzelnen Farbstriche greifen die Farbgebung der darunter befindlichen Malerei meist in aufgehellten Tönen auf und bilden so eine Art bildimmanenten Rahmen (Abb. 7). Dass dieser erst nach der Fertigstellung und sogar nach der Signatur des Bildes entstand, bezeugen einzelne Farbstriche, die geringfügig auch Signacs Namenszug in der linken unteren Gemäldeecke überdecken. Doch auch die Tatsache einer abweichenden Fluoreszenz dieses nachträglich gemalten Rahmens erlaubt keinen näheren Rückschluss auf den genaueren Zeitpunkt dieser Überarbeitung.

Paul Signac
Capo di Noli, 1898, Öl auf text. Träger, 93,5 x 75,0 cm, WRM Dep. FC 682

Paul Signac

geb. am 11. November 1863 in Paris,
gest. am 15. August 1935 ebenda

Kurzbericht mit Gesamtdaten als Pdf-Dokument zum Download

Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite, doubliert


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz


Abb. 06

Infrarotreflektogramm


Abb. 07

Detail, Signatur


Abb. 08

Blaue Unterzeichnungslinie, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 09

Detail, Streiflicht, Segelboote und Wasser


Abb. 10

Detail, Baumstämme und Buschwerk


Abb. 11

Veränderungen gelber Farbaufträge, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 12

Querschliff einer Malschichtprobe aus dem in Abb. 11 gezeigten Bereich, von oben nach unten: degradierte gelbe
Farbschicht mit pilzähnlich emporwachsendem Material (zinkhaltiges Cadmiumsulfid), orange Farbschicht (reines
Cadmiumsulfid), grüne Farbschicht (chromhaltiges Pigment); 200fache Vergrößerung