Zusammenfassung/Besonderheiten
Bei dem Gemälde handelt es sich um ein abgeschlossenes Werk, bei dem die jüngsten Untersuchungen belegen, dass es im Jahr seiner Fertigstellung offenbar im Salon Officiel 1870 ausgestellt wurde. Konnte diese Teilnahme bislang durch archivarische Studien nur vermutet werden [AUSST Honfleur 1992, Lempertz 1998], so erbrachte die Röntgenuntersuchung nun die Bestätigung: Im Vergleich zu einer zweiten, weitaus kleineren Version dieser Komposition aus dem gleichen Jahr und mit ähnlichem Titel [Schmit 1973, Bd. I, No. 527, Abb. 12, 13] lassen signifikante Veränderungen in der Gruppierung der Figuren nur den Schluss zu, dass ersteres als Studie für das vorliegende Gemälde diente. Damit ist nicht nur die Abfolge der Entstehung beider Arbeiten nachgewiesen, sondern auch die Teilnahme am Salon, bei der Boudin sicherlich das vollendete großformatige Werk und nicht die Studie einreichte.
Diese autographen Überarbeitungen, die vor allem im Bereich der Figuren auszumachen sind, stellen eine Besonderheit des Gemäldes dar (Abb. 5-7, vgl. Abb. 12). Lediglich an den beiden Personen mit gelben Schultertuch wurden keine Veränderungen vorgenommen. Alle anderen Figuren waren zunächst um bis zu 2,5 cm höher positioniert. Außerdem wurden die Frauen leicht nach links bzw. rechts gerückt. Dabei fällt auf, dass die sitzende, dem Betrachter abgewandte Frau mit blauem Schultertuch zweimal versetzt und damit der Abstand zu den anderen beiden Figuren dreimal verändert wurde. Die drei Frauen rechts waren ursprünglich nicht so dicht zusammen angelegt wie in der jetzt sichtbaren Malerei umgesetzt. Außerdem scheinen im ersten Bildentwurf neben der jetzt äußersten rechten Figur zwei weitere Frauen mit weißer Haube konzipiert gewesen zu sein.
Wenngleich die Anlage der Figuren möglicherweise von Anfang an auf die Gesamtkomposition abgestimmt war und sich an der kleinformatigen Studie orientierte, spricht das Versetzen für eine Unzufriedenheit, die möglicherweise erst während der Umsetzung in das größere Format festgestellt wurde und zur Überarbeitung führte.
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass auf dem Gewebe als unterste Schicht eine sehr dünne, ockerfarbene Grundierung liegt, welche von einer grauen Schicht bedeckt wird (Abb. 11). Ob es sich hierbei um eine Untermalung oder aber um eine zweite Grundierungsschicht handelt, kann nicht eindeutig gesagt werden, da dieser Bereich lediglich an wenigen Stellen einsehbar ist.
Die Malerei zeigt eine sehr lebhafte Pinselführung mit mehrschichtigem Aufbau, viele Bereiche sind nass-in-nass gearbeitet und ineinander vertrieben (Abb. 9). Die ursprüngliche Delikatesse der Oberfläche ist durch eine stark eingreifende, länger zurück liegende Restaurierung gemindert.
Eugène Boudin
geb. am 12. Juli 1824 in Honfleur,
gest. am 8. August 1898 in Deauville
Abb. 02
Rückseite, doubliert
Abb. 03
Aufnahme im UV-Strahlungsbereich
Abb. 04
Detail, überarbeitete Gruppe der Fischerinnen
Abb. 05
Röntgenaufnahme, Ausschnitt wie Abb. 4; die mehrfach veränderte Position der Person wird deutlich
Abb. 06
Detail, Fischerin
Abb. 07
Signatur
Abb. 08
Detailaufnahme, Farbauftrag nass in nass
Abb. 09
Detail Schuhe im Vordergrund, eine frühere Position wurde vom Künstler verworfen und übermalt
Abb. 10
Graue und ockerfarbene Schicht, deren Funktion als Grundierung oder Untermalung bzw. Imprimitur ungeklärt ist
Abb. 11
Studie Boudins, Les pêcheuses de Kerhor, 1870, H 46,0 cm x B 66,0 cm, Privatbesitz
Abb. 12
Vergleichsabbildung, Figurengruppe [Ausschnitt aus Abb. 11]