Zusammenfassung/Besonderheiten
Das kleinformatige Gemälde, das Toulouse-Lautrec mit noch nicht einmal zwanzig Jahren schuf, besitzt eine Bleistiftunterzeichnung direkt auf dem hellen, ungrundierten Pappelholz, wie das Infrarotreflektogramm zeigt (Abb. 1-3). Die Fischerszene, in der Unterzeichnung noch durch einen links angeschnittenen, umgedrehten Kahn bereichert, wurde von Toulouse-Lautrec malerisch rasch skizzierend und sicher ausgearbeitet. Es liegt sehr nahe, dass Toulouse-Lautrec dieses Kleinformat im Freien malte und dafür einen Daumenkasten (frz. Boite a pouce) verwendete sowie ein dafür angefertigtes, dünnes Holzbrettchen des Pariser Händlers Berville, das ausgehend von einem ursprünglich größeren Format für die Haltevorrichtung im Deckel angepasst wurde (Abb. 5, 12). Die unbemalten seitlichen Ränder und der untere, etwas aus der Mitte gerückte Befestigungspunkt sind charakteristische Zeichen für die Benutzung dieses Malhilfmittels für die Freilichtmalerei (Abb. 1, 5). Der helle Bildträger (frz. panneaux bois blanc sans apprêt), der auch speziell für diese Daumenkästen angeboten wurde, spricht in der Malerei als Lichtton mit. Toulouse-Lautrec arbeitete das Gemälde vom ebenmäßigen Himmel zum Vordergrund und setzte dabei die Farbflächen locker nebeneinander. Die Grenzflächen sind abschließend teilweise nachgebessert worden (Abb. 8). Duktus und Farbkonsistenz variieren stark und zeugen von sicherer und schneller Arbeitsweise (Abb. 9). Als Abschluß setzte Toulouse-Lautrec im Hintergrund das in der Unterzeichnung nicht vorgesehene kleine Segelboot auf (Abb. 10). Rückseitig findet sich auf dem Täfelchen die filigrane Zeichnung eines Pferdes (Abb. 2).

Henri de Toulouse-Lautrec
Fischerboot, 1880, Öl auf Pappelholz, 14,0 x 23,3 cm, WRM Dep. FC 719

Henri de Toulouse-Lautrec

geb. am 24. November 1864 in Albi,
gest. am 9. September 1901 auf Schloss Malromé, Gironde

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite (um 180° gedreht)


Abb. 03

IR-Reflektogramm


Abb. 04

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 05

Detail, Aussparung in der Malerei im Bereich der unteren Befestigungsfläche des Daumenkastens


Abb. 06

Detail der Rückseite im Streiflicht (um 90° gedreht); die Schmalseite ist sägerau


Abb. 07

Detail, Händlerstempel auf der Rückseite


Abb. 08

Bereich des Himmels; ein leicht abweichender Blauton wurde von Toulouse-Lautrec zur Nachbesserung großer Lücken der Malerei verwendet, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 09

Nass in nass gesetzter Pinselstrich, Mikroskopaufnahme
(M = 1 mm)


Abb. 10

Nachträglich zugefügtes Segelboot im Hintergrund,
Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 11

Unterzeichnungslinie und sichtbarer Pappelholzträger,
Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 12

Daumenkasten im Katalog von Lefranc-Bourgeois von 1888, S. 92: Die untere Abbildung zeigt deutlich die seitlichen Einschubnuten, die klappbare vordere Deckelseite und die aus der Mitte gerückte untere Befestigung der eingeschobenen Maltafel