Zusammenfassung/Besonderheiten

Das nach dem Tode von Camille Pissarro in Familienbesitz bewahrte und erst nach 1921 in den Kunsthandel gelangte Gemälde zeigt ein von dem Künstler mehrfach dargestelltes großes Gehöft am Ufer des Flußes Epte in Bazincourt. Pissarro konnte das Gebäude und den großen Walnussbaum aus dem zweiten Stock seines Wohnhauses sehen [Pissarro/ Durand-Ruel Snollaerts 2005, Kat. Nr. 772, S. 511]. Der Künstler bediente sich eines kommerziell aufgespannten, sehr feinen Gewebes im Standardformat F15 (54,0 x 65,0 cm) mit handelsüblicher cremefarbener Grundierung (Abb. 8). Vor die malerische Ausführung setzte Pissarro eine detaillierte Bildplanung in feiner, dunkelblauer Pinselzeichnung (Abb. 9, 10, 14), die häufig entlang von Konturen sichtbar blieb. In einer offenen Malweise, bestehend aus kurzen, oft geschwungenen und zuweilen auch kreuzweise aufgebrachten Pinselstrichen gestaltete Pissarro im nächsten Arbeitsschritt alle Teile der Komposition. Der Auftrag der Farben erfolgte durchweg nass in nass. Vielerorts ließ er dabei die helle Grundierung sichtbar. Es sind vielfach genau die Stellen freiliegender Grundierung, die nachträglich mit vorwiegend blaugrünlichen Pinselstrichen im Vordergrund sowie in den Bäumen flüchtig bedeckt wurden und dabei den Duktus der übrigen Farbaufträge imitieren (Abb. 13, 15). Dass diese malerischen Ergänzungen jedoch nicht von PIssarro selbst, sondern von fremder Hand stammen, belegen nicht nur sehr eindrücklich UV-Fluoreszenz- Aufnahme und Falschfarben-Infrarotreflektogramm (Abb. 5, 6). Ebenso bezeugt eine Abbildung des Gemäldes im 1939 erschienenen Verzeichnis von Camille Pissarros Werken, dass bis dato diese Veränderungen noch nicht stattgefunden hatten [Pissarro/Venturi 1939, Kat. Nr. 645, Abb. 15]. Art und Umfang der dann vermutlich erst nach 1939 ausgeführten farbigen Ergänzungen legen nahe, dass diese offene Malweise und das vielfache Freiliegen des hellen Malgrundes als Zeichen des Unfertigen verstanden wurden, und die nachträglich aufgebrachten Pinselstriche dieses vermeintliche Defizit tilgen sollten. Die abweichende Farbigkeit dieser malerischen Ergänzungen macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass auch das gesamte Kolorit dieses Landschaftsmotivs belebt werden sollte. Das schwarz wirkende, jedoch in dunkelblau ausgeführte Monogramm in der linken unteren Ecke stellt sich bei näherer Untersuchung als gestempelt dar. Urheber und Zeitpunkt des Monogramms sind nicht zu bestimmen, jedoch erfolgte der Auftrag vor der Hinzufügung der farbigen Ergänzungen (Abb. 7, 16).

Camille Pissarro
Bauernhof in Bazincourt, 1884, Öl auf text. Träger, 54,1 x 65,1 cm, WRM Dep. FC 693

Camille Pissarro

geb. am 10. Juli 1830 in Charlotte Amalie, St. Thomas, Dänisch-Westindien,
gest. am 12. November 1903 in Éragny-sur-Epte

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite, doubliert


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme; die späteren malerischen Hinzufügungen markieren sich durch türkisfarben fluoreszierende Pinselstriche, vorwiegend im Vordergrund und in den Bäumen


Abb. 06

Falschfarben-Infrarotreflektogramm, die Farbaufträge von fremder Hand werden hier in pink bis violett dargestellt


Abb. 07

Details, gestempeltes Monogramm in Auflicht (oben) und unter UV-Anregung( unten)


Abb. 08

Vorbereitung des Bildträgers: in der Vorleimung sind Bläschen erkennbar (oben links), cremefarbene Grundierung (unten links), Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm), sowie Detail mit Umspann des sehr feinen textilen Bildträgers, der zu einem späteren Zeitpunkt doubliert wurde (ganz rechts)


Abb. 09

Unterzeichnung, die von Malerei unbedeckt blieb, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 10

Unterzeichnungslinien, Kohlepartikel und blaue Farbe vermischen sich (oben), die beiden unteren Abbildungen schließen jedoch einen voneinander unabhängigen Auftrag in zwei Phasen nicht aus, da sowohl Kohlepartikel als auch blaue Pinselzeichnung unabhängig voneinander auftreten, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 11

Detail, Horizontlinie


Abb. 12

Pastoses, nass in nass vermaltes Farbmaterial, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 13

Detail, punkt- und strichförmiger FArbauftrag im Bereich des Baumes, die verschiedenen blaugrünen Pinselstiche sind nicht eigenhändig (vgl. Abb. 5, 6, 14, 15)


Abb. 14

Kartierung der Unterzeichnung (in Blau), soweit bei mikroskopischer Untersuchung erkennbar und nicht von der nachfolgenden Malerei abgedeckt


Abb. 15

Kartierung (in Rot) der später hinzugefügten Farbaufträge von fremder Hand


Abb. 16

Historische Abbildung vor 1939, originaler Zustand ohne malerische Ergänzungen