Zusammenfassung/Besonderheiten

Das Portrait seines Sohnes Jean malte Renoir um 1900 [Reuber 2007]. Das Gemälde im Standardformat F10 zeigt das Kind beim Nähen eines Kostüms für sein geliebtes Stoffkamel, so Jean Renoir, der sich anschaulich an das langwierige Modellsitzen für dieses Portrait erinnert [Renoir 1962, S. 351f]. Der textile Bildträger weist eine lebhafte Struktur auf und ist mit einer kommerziell aufgetragenen, zweischichtigen Grundierung von weiß-gelblicher Farbe versehen (Abb. 3, 8). Die Malerei zeichnet sich durch mehrfache, vorwiegend lasierende und sehr dünne Farbaufträge aus, die typisch für Renoirs Malweise in diesen Jahren sind (Abb. 10,11). Die Farbaufträge erfolgten größtenteils nass in nass, aber auch nass auf trocken. Bemerkenswert sind die umfassenden malerischen Überarbeitungen des Künstlers auf der Suche nach Perfektion: Diese Korrekturen sind teils schon mit bloßem Auge durch zahlreiche Pentimenti erkennbar, wie beispielsweise Veränderungen am Formverlauf von Ärmel, Schleife und Haar (Abb. 13). Bei mikroskopischer Untersuchung lässt sich allerdings auch ein großflächiges Entfernen erster Farbaufträge durch Abkratzen bereits angetrockneter Schichten ablesen, bevor er wiederholt neue Farbe auftrug (Abb. 12). Dieses Vorgehen wird bereits bei Burnstock als gelegentlicher Bestandteil von Renoirs Arbeitsweise beobachtet [Burnstock et al. 2005, S. 61]. Eine eigenhändige Signatur fehlt und belegt damit Renoirs Signaturgepflogenheiten der Zeit, denn er verzichtete nach eigenen Aussagen bei Werken, die in seinem Atelier bzw. Haus verblieben, häufig auf das Signieren [Ehrlich-Whitte 1984, S. 222]. Der Signaturstempel auf der Vorder- und Rückseite ist mit einem Terminus post quem 1927 [siehe Signatur] einzuordnen und wurde vermutlich erst aufgebracht, als das Gemälde den Familienbesitz nach 1931, also einige Jahre nach Renoirs Tod, verlassen hat (Abb. 7). Weder von Jean Renoir, noch in einer anderen Publikation wird allerdings erwähnt, dass es gleich zwei Gemälde waren, die sein Vater von ihm in dieser Pose malte. Die Sammlung des Art Institute Chicago beherbergt ein in Größe und Darstellung beinahe identisches Bild (Abb. 14). Die beiden Werke wurden bislang häufig in der Literatur miteinander verwechselt. Frappierend ist die Ähnlichkeit der beiden Bilder nicht nur hinsichtlich der Darstellung, sondern auch in der Materialwahl und im malerischen Prozess: Die Chicagoer Version wurde, wie die in der Röntgenaufnahme sichtbaren deckungsgleichen Gewebecharakteristika belegen, scheinbar auf derselben vorgrundierten Rollenware ausgeführt (Abb. 6, 15). Auch hier zeigen Pentimenti sowie ein offenbar mechanisches Reduzieren der Farbschichten eine intensive Auseinandersetzung mit der Darstellung seines Sohnes [Chicago Art Institute 2008]. Zu vermuten ist daher ein zeitnahes Entstehen der beiden Bilder, die Reihenfolge als auch der Grund der zweifachen Ausführung bleiben ungeklärt, möglicherweise arbeitete Renoir parallel an beiden Gemälden. Im Gegensatz zur Kölner Version signierte Renoir das heute in Chicago beheimate Bild eigenhändig, sicherlich bedingt durch den frühen Verkauf noch zu seinen Lebzeiten, 1914 befindet sich das Gemälde bereits im Besitz des Kunsthändlers Durand-Ruel.

Auguste Renoir
Jean Renoir nähend, 1900, Öl auf text. Träger, 55,5 x 46,4 cm, WRM Dep. FC 680

Auguste Renoir

geb. am 25. Februar 1841 in Limoges,
gest. am 3. Dezember 1919 in Cagnes

Kurzbericht mit Gesamtdaten als Pdf-Dokument zum Download

Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 06

Röntgenaufnahme


Abb. 07

Signaturstempel, Details des vorderseitigen Stempels im Auflicht (oben) und unter UV-Fluoreszenz-Anregung (mitte) sowie des Stempels auf der Rückseite (unten), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 08

Grundierrand des vorgrundierten Gewebes, zweischichtiger Auftrag, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 09

Inkarnat, Detail


Abb. 10

Lasierender Farbauftrag im Bereich des Kleides mit Bildung von Höfen durch sehr starke Verdünnung, Mikroskopaufnahme
(M = 1 mm)


Abb. 11

Detail, Pentiment am Ärmel


Abb. 12

Detail, rechter Ärmel, eigenhändige Übermalungen auf zuvor abgetragenen Farbschichten, besonders deutlich in der
Mikroskopaufnahme im Streiflicht (M = 1 mm)


Abb. 13

Pentimenti - Kartierung der Veränderung kompositioneller Details


Abb. 14

Pierre-Auguste Renoir, Jean Renoir nähend, 1900, Öl auf Leinwand, 55,4 cm x 46,5 cm, Mr. and Mrs. Martin A. Ryerson
Collecton, 1937.1027, The Art Institute of Chicago, Abbildung © The Art Institute of Chicago


Abb. 15

Zusammengesetzte Röntgenaufnahme zu Abb. 14,
Abbildung © The Art Institute of Chicago