Zusammenfassung/Besonderheiten

Die in Blau-, Grün- und Gelbtönen gehaltene Herbststimmung zeigt laut Berhaut den Blick von der Île Marande auf den Nebenarm der Seine in Richtung des Ortes Bezons [Berhaut 1994, S. 225]. Dass Caillebotte dieses Gemälde dort tatsächlich direkt vor dem Motiv gemalt haben könnte, bezeugt eine Auslassung der Malerei an der Bildunterkante, die in Form und Größe von der Befestigung auf einer, für die Freilichtmalerei typischen Feldstaffelei zu stammen scheint (Abb. 12). Der weiß vorgrundierte textile Bildträger im beliebten Standardformat F 15 stammt, einer rückseitigen Schablonierung zufolge, von Caillebottes Pariser Malutensilienhändler Dubus [Lewerentz 2008, S. 274-275] (Abb. 2). Ohne jegliche planerische Anlage, in Form einer Unterzeichnung oder Untermalung, führte der Künstler die Malerei in vermutlich zwei Arbeitssitzungen aus. Zunächst füllte er die Darstellung partiell mit lasierenden Untermalungen im jeweiligen Lokalton, bevor er die Bildfläche vornehmlich nass in nass mit gerichteten Pinselstrichen schloss. Dabei platzierte er flächige und stark ausgestrichene Farbaufträge im Bereich des Himmels und Wassers in direkter Nachbarschaft zu verstärkt pastosen Farbtupfen im Blattwerk der Bäume und der Wasserspiegelung (Abb. 7, 8). Ein Kuriosum dieses Gemäldes ist das Vorhandensein zweier Signaturen mit dem Schriftzug „G. Caillebotte", wobei eine davon heute am linken unteren Bildrand von einer späteren Übermalung verborgen liegt und nur mit Hilfe der Infrarotreflektographie sichtbar zu machen ist (Abb. 5, 6). Beide Signaturen wurden erst sehr viel später nach Vollendung der Malerei auf die getrocknete und stellenweise bereits craquelierte Farbschicht aufgebracht. Die Handschrift beider Signaturen weist große Parallelen auf, jedoch keine Ähnlichkeit mit den eigenhändigen Signaturen Caillebottes. Vielmehr scheint es sich hier in beiden Fällen - wie so häufig im Werk des Künstlers - um posthume Signaturen durch seinen Bruder Martial oder seinen Nachlassverwalter Auguste Renoir zu handeln [Berhaut 1994, S. 60]. Weshalb hier eine vermutlich erste Signatur verworfen und eine zweite Signatur in der rechten unteren Ecke hinzugefügt wurde, bleibt unklar. Es könnte jedoch rein ästhetische Beweggründe gehabt habe.

Gustave Caillebotte
Nebenarm der Seine, Herbststimmung, 1890, Öl auf text. Träger, 65,0 x 54,5 cm, WRM Dep. 689

Gustave Caillebotte

geb. 19. August 1848 in Paris,
gest. 21. Februar 1894 in Gennevilliers

Kurzbericht mit Gesamtdaten als Pdf-Dokument zum Download

Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite mit grafischer Darstellung der Händlerschablonierung (inklusive Bemaßung)


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 05

Details der sichtbaren Signatur in der rechten unteren Ecke, manueller Schriftzug läuft über die Frühschwundrisse der darunter liegenden Farbschicht, Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm)


Abb. 06

Details, übermalte Signatur unten links im Infrarotreflektogramm (oben), im Auflicht (mitte) und in der UVFluoreszenz- Aufnahme (unten)


Abb. 07

Detail, Pinselduktus orientiert sich am Formverlauf des dargestellten Motivs


Abb. 08

Detail im Streiflicht, Farbauftrag variiert von flächig und ausgestrichen im Himmel bis pastos und strichelnd im bereich des Blattwerkes


Abb. 09

Nass in nass und nass auf trocken ausgeführte Farbaufträge, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 10

Gelb- bis orangefarbener, unidentifizierter Farblack im Bereich des gelben Blattwerkes, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 11

Bildschichtverlust, Blick auf die weiße Grundierung mit geringen Anteilen schwarzer und roter Pigmentierung, Mikroskopaufnahmen (M = 1 mm)


Abb. 12

Detail, unterer Bildrand, Aussparung in der Malschicht, die vermutlich von der Befestigung des Bildes auf einer Feldstaffelei herrührt (rote Markierung)