Zusammenfassung/Besonderheiten

Das vom Künstler selbst als Studie (étude) bezeichnete Gemälde entstand in Clichy, nördlich von Paris. Es ist das erste seiner in Frankreich entstandenen Werke, das Van Gogh für eine Ausstellung in seiner holländischen Heimat auswählte, wo es im Frühjahr 1888 beim Kunsthändler Tersteeg in Den Haag für 150 Francs angeboten wurde, bevor es als unverkäuflich wieder nach Paris zurück ging [LT 471 (Abb. 12), LT W 4; Tempel 1999, S.118].

Van Gogh verwendete ein vermutlich vorgrundiertes Gewebe im Standardformat F 10, deren offene Webart den damals handelsüblichen Studienleinwänden toile étude oder pochade ähnelt. Die Grundierung ist cremefarben mit leichtem Gelbstich und erinnert an die getönten Gründe écru oder jaune des damaligen Händlersortiments (Abb. 7).

Als Hilfsmittel für die Bildkomposition kam van Goghs so genannter „Perspektivrahmen“ zum Einsatz, der bereits am Amsterdamer Van Gogh Museum an zwölf weiteren seiner Gemälde aus dem Jahre 1887 nachgewiesen werden konnte [Hendriks 2005, S. 473]. Die markanten Linien des Rahmens im „Union-Jack- Pattern“ sowie eine nachfolgende Bleistiftunterzeichnung sind bereits mit bloßem Auge sichtbar (Abb. 7), lassen sich jedoch wesentlich deutlicher mit Hilfe der Infrarot-Reflektographie darstellen (Abb. 6). Die genaue Beschaffenheit und Verwendungsweise des „Perspektivrahmens“ ist dem Kurzbericht zu van Goghs Zugbrücke (WRM 1197) und Hendriks 2005 zu entnehmen.

Besonders markant bei der Brücke von Clichy ist die dynamische, skizzenhafte, fast hektisch wirkende Linienführung der Bleistift- unterzeichnung von Häusern, Brücke, Wasserspiegelung, Schattenzonen, Gräsern und Figuren, die stellenweise mehrfach korrigierend übereinander verläuft und dabei auf Veränderungen in der Position der Hausdächer und des Brückenbogens aufmerksam macht. Der anschließende Farbauftrag erfolgte zügig nass in nass in ein bis zwei Farblagen und wenig pastos (Abb. 3). Möglicherweise erschien dem Künstler der Farbauftrag im Himmel sogar stellenweise zu dicht geraten, denn hier zog er die noch frische Farbe mit einem breiten Spachtel größtenteils wieder ab (Abb. 8).

Insgesamt bewirkt der skizzenhafte Charakter des Farbauftrags eine Ablesbarkeit aller Stadien der Bildentwicklung im vollendeten Werk, angefangen von der Grundierung, über die Unterzeichnung bis hin zu einzelnen Überarbeitungen. Die Verwendung des „Perspektivrahmens“ sowie die rasche Entwicklung von Unterzeichnung und Farbaufträgen sprechen für eine vollständige Entstehung des Bildes en pleinair.

Vincent van Gogh
Brücke von Clichy, 1887, Öl auf text. Träger, 54,8 x 46,1 cm, WRM Dep. FC 813

Vincent van Gogh

geb. am 30. März 1853 in Groot-Zundert (heute: Zundert) bei Breda, Niederlande,
gest. am 29. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise, Frankreich

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite, doubliert


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 06

IR-Reflektogramm


Abb. 07

Detail Bleistiftunterzeichnung, Wasserspiegelung in der linken unteren Ecke


Abb. 08

Streiflicht, Detail rechte obere Ecke, Spuren vom Abtragen der noch frischen Farbe (rote Pfeile markieren den
Spachtelansatz)


Abb. 09

Detail, Bildmitte, Wischspur eines Pinsels in der frischen Farbe


Abb. 10

Detail Bleistiftunterzeichnung, Figur wurde mit kräftigen
gelben Pinselstrichen übergangen


Abb. 11

Gräser im Vordergrund, Chromoxidhydratgrün und Kupferpigment, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 12

Brief an Theo vom 24.03.1888 (LT 471) mit Nachzeichnung des Gemäldes