Zusammenfassung/Besonderheiten

Die Studie entstand auf einer Malpappe, die man anhand des erheblichen Gewichts dieses kleinformatigen Bildträgers sowie der soliden beidseitigen Grundierung ohne nähere Betrachtung mit einer flachen Holztafel verwechseln könnte. Dank eines erhaltenen, heute jedoch von einem weiteren Aufkleber verdeckten, Firmenetiketts (Abb. 2, 5) erweist sich diese Malpappe als ein Produkt der Firma Winsor & Newton. Gemäß zeitgenössischer Angebotslisten sowie bisheriger Untersuchungen von Malpappen der Firma Winsor & Newton scheint es sich um den Typus „Prepared Millboard – ordinary thickness“ zu handeln [Schaefer 1993, S. 166-168]. Unter Berücksichtigung der überlieferten Maße dieser vorgrundierten Malpappen und der Feststellung, dass der Bildträger am oberen Rand nachträglich beschnitten wurde, darf man ein ursprüngliches Bildmaß von 22,9 x 33,0 cm (= 9.0 x 13.0 inch) annehmen [Winsor & Newton 1886, S. 85] (Abb. 4). Eine Kürzung des Formats am oberen Rand um ca. 2,6 cm ließe sich bestens mit einer ursprünglich vollständigen, heute jedoch angeschnittenen, Darstellung des Bootsmastes vereinbaren (Abb. 1, 4, 9).

Die insgesamt dünnschichtige Malerei scheint kaum zeichnerischen Vorgaben zu folgen. Sehr interessant sind jedoch einzelne auffallend feine und geradlinige Ritzungen in der Grundierung, die sich im Bereich des unteren Bootsmastes nur durch mikroskopische Beobachtungen feststellen lassen (Abb. 8). Da sie nur partiell festzustellen sind und im Detail nicht mit der aktuell sichtbaren Darstellung übereinstimmen, sind Funktion und Zusammenhang dieser Ritzungen bislang ungeklärt. Die Farbaufträge erfolgten im allgemeinen nass in nass und vielfach lasierend. Der Pinselduktus bleibt vielerorts sichtbar. Vor allem in den Randbereichen sowie in der Himmelpartie war ursprünglich auch die Grundierung umfänglicher sichtbar. Diese offenen oder durchscheinenden Partien des Malgrundes sind heute von feinsten, strichelnd erfolgten Übermalungen bedeckt (Abb. 10 - 12). Diese farbigen Ergänzungen fanden vermutlich nach der Kürzung der Malpappe am oberen Bildrand statt und versuchten dabei auch die Spitze des Bootsmastes nachzuformen (Abb. 9). Art und Umfang der Übermalungen legen nahe, dass dadurch dieser Studie ein höherer Grad der Vollendung verliehen werden sollte.

Besondere Aufmerksamkeit verdient darüber hinaus das heute sichtbare Etikett der Pariser Firma Wandenberg, das auf der Rückseite den oben beschriebenen Aufkleber von Winsor & Newton verdeckt (Abb. 6). Gemäß der Aufschrift war diese Firma auf Malerei(bedarf?), Vergoldung, Spiegelwaren sowie die Einrahmung „im französischen Stil“ spezialisiert. Da sie auf ihrem Etikett nachdrücklich auf ihren neuen Firmensitz seit dem 15. März 1875 hinweist, stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang dieser Aufkleber aufgebracht wurde und dabei vollständig das englische Label abdeckte. Sofern sie diese Malpappe mit ihrem Firmenzeichen zum Verkauf angeboten hätte, könnte diese Studie nur nach dem genannten Märzdatum im Jahre 1875 entstanden sein. Falls diese Studie zum Zweck einer Einrahmung o .ä. in die Hände der Firma Wandenberg gelangt wäre, sich daraus wiederum ein Hinweis auf eine sehr frühe Wertschätzung dieser Studie ableiten lassen.

Edouard Manet
Schwarzes Boot bei Berck, 1873, Öl auf Malpappe, 20,3 x 33,2 cm, WRM Dep. FC 777

Edouard Manet

geb. am 23. Januar 1832 in Paris,
gest. am 30. April 1883 ebenda

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Digitale Rekonstruktion des ursprünglichen Formats mit Fortführung der Darstellung (Bootsmast)


Abb. 05

Rückseite mit Vergleichsabbildungen, rechts unten: Infrarotreflektogramm des Firmenetiketts, das den darunter befindlichen Aufkleber der Firma Winsor & Newton erkennen lässt, rechts oben: ein entsprechendes Firmenetikett, das von einem um 1840 entstandenen Gemälde auf Malpappe stammt


Abb. 06

Detail, Aufkleber der Pariser Firma Wandenberg


Abb. 07

Detail, Signatur


Abb. 08

Vorderer Bootsmast mit erkennbaren Ritzungen in der hier freiliegenden Grundierung, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 09

Detail, Bootsmast am oberen Rand mit nachträglich hinzugefügten Farbaufträgen


Abb. 10

Detail, UV-Fluoreszenzaufnahme des rechten Bildrandes, wo sich nachträglich ausgeführte Pinselstriche dunkel markieren


Abb. 11

Detail, UV-Fluoreszenzaufnahme der Himmelpartie links oberhalb des Bootes, auch hier heben sich nachträglich ausgeführte Pinselstriche dunkel von der originalen Malschicht ab


Abb. 12

rechter Bildrand mit nachträglich ausgeführten Pinselstrichen, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)