Zusammenfassung/Besonderheiten

Das reizvolle Portrait der kleinen Sara, Enkelin Emile Loubets, eines ehemaligen Präsidenten der französischen Republik, gehört im Œuvre Mary Cassatts zu einer Reihe von über fünfzig gemalten oder gezeichneten Studien des Mädchens binnen eines Jahres. Größte Ähnlichkeit weist es zu einem Pastell auf, das sich heute im Fred Jones Museum in Norman, Oklahoma, befindet [Breeskin 1970, Eintrag 369].

Innerhalb der Sammlung des Wallraf-Richartz Museum & Fondation Corboud stellt es eine Besonderheit dar, die erst durch die nähere technologische Untersuchung offenbar wurde. Denn die Malerei auf graugrundigem Träger, den Cassatt bei dem Pariser Händler Dupré einkaufte, erkenntlich durch die rückseitige zweifache Markierung auf Gewebe und Keilrahmen, weist einen außergewöhnlichen Erhaltungszustand auf (Abb. 4, 5). Schabspuren von einem Spachtel oder Malmesser und Tropf- sowie Laufspuren einer Flüssigkeit belegen, daß die Malschicht in noch nicht gänzlich durchgetrocknetem Zustand auf nahezu der gesamten Bildfläche traktiert wurde (Abb. 7 - 10). Zeitpunkt, sowie Art und Weise lassen nur die Künstlerin selbst als Urheberin zu. Vielerorts wurden die Farbschichten bis auf die Grundierung abgenommen, die Oberfläche der Malschicht ist berieben, wirkt geradezu abgewaschen, so dass der heutige Zustand nur noch als fragmentarisch zu bezeichnen ist.

Diese Art der Überarbeitung lässt auf eine kritische Auseinandersetzung der Malerin mit ihrem Werk schließen und legt nahe, dass Mary Cassatt die Malschicht reduzierte, um eine neue Überarbeitung vornehmen zu können. Diese unterblieb dann allerdings aus ungeklärten Gründen. Die Ursache für die Unzufriedenheit ist heute nicht nachvollziehbar: während die Figur des Mädchens selbst offenbar bereits recht weit gediehen war, sind randständige Bildpartien skizzenhaft und unbearbeitet belassen (Abb. 11).
In Cassatts OEuvre finden sich im Zeitraum von 1890 bis ca. 1903 einzelne Gemälde, die den Abbildungen nach zu schließen einen ähnlichen Zustand aufweisen [Breeskin 1970, Einträge 183, 263, 388, 405, 436, 507].

Mary Cassatt
Sara mit einem dunklen Häubchen, 1901, Öl auf text. Träger, 67,2 x 56,2 cm, WRM. Dep. FC 697

Mary Cassatt

geb. am 22. Mai 1845 in Pittsburgh, Pennsylvania,
gest. am 14. Juni 1926 in Le Mesnil-Théribus (Oise)

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite


Abb. 03

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 04

Händlerstempel der Rückseite auf Keilrahmen und Gewebe. Vergleichend dazu Umschlagtitel des zeitnahen Kataloges von Dupré (1899)


Abb. 05

Graue Grundierung, Mikroskopaufnahme (M=1 mm)


Abb. 06

Detail der rechten, unteren Bildecke, skizzenhafte Malerei


Abb. 07

Detail im Streiflicht, Schabspur eines Spachtels durch das Abtragen der noch nicht gänzlich durchgetrockneten Malerei


Abb. 08

Schabspuren: Das Werkzeug, ein Messer oder Spachtel, wurde von unten nach oben geführt (Pfeile), Mikroskopaufnahme im
Streiflicht (M = 1 mm)


Abb. 09

Detail des Inkarnats


Abb. 10

Detail des Armes (Auflicht)


Abb. 11

Detail des Armes (Durchlicht, Ausschnitt wie Abb. 10, oben).
Das von hinten durchscheinende Licht zeigt die durch die Überarbeitung sehr unterschiedlich dicht geschlossene
Bildschicht; so erscheinen z.B. hellgelb die durch das Lösungsmittel bis auf die Grundierung gedünnten Bereiche


Abb. 12

Blaue und weiße Farbaufträge mischen sich nass in nass. Die Tropfspuren zeigen den Lösungsmitteleinsatz bei der Reduktion der Farbschichten, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)