Zusammenfassung/Besonderheiten

Das skizzenhafte, pointillistische Gemälde entstand in einem kurzen Arbeitsgang, der wahrscheinlich nicht viel länger als eine Stunde andauerte. Metzinger verwendete eine handelsübliche weiß vorgrundierte Pappe. Mit wenigen trockenen Pinsellinien in blauer Farbe skizzierte er darauf die Konturen von Horizont, Haus und Baum (Abb. 6). Anschließend versah er die Bildfläche systematisch mit regelmäßig aneinander gereihten, großen und pastosen Pinselstrichen von intensiver Farbigkeit. Die weiße Grundierung wurde dabei stark in die endgültige Bildwirkung mit einbezogen und scheint allerorts in den Zwischenräumen der Malerei hervor.

Generell erfolgte der Farbauftrag einschichtig. Nur einige wenige Stellen wurden mit einem zweiten Farbauftrag übergangen, um entweder Farbigkeit oder Pinselführung zu korrigieren (Abb. 8). Entgegen der klassischen Auffassung des Neoimpressionismus verwendete Metzinger nicht nur Farben in ihrer reinen Tonalität, sondern auch in Ausmischung untereinander. Der mosaikartige Charakter der großen und gleichmäßig komponierten Pinselstriche findet sich im Werk Metzingers verstärkt um 1906. In diese Zeit ist vermutlich auch das Gemälde „Landschaft mit rundem Baum“ einzuordnen.

Seitdem hat sich jedoch das Erscheinungsbild des Gemäldes durch natürliche Alterungsprozesse und gezielte restauratorische Eingriffe drastisch verändert. Neben der Marouflage auf eine parkettierte Schichtholzplatte und einer damit einhergehenden Verkleinerung der Bildgröße hat vor allem die über die Jahre einsetzende Verschmutzung zu einer ein- schneidenden Veränderung der gesamten Farb- und Bildwirkung geführt. Dabei zeigte sich die rein Protein-gebundene Grundierung ganz besonders empfänglich für Schmutzablagerungen, so dass anstelle der ursprünglich weißen Farbigkeit heute eine gleichmäßige hell- bis mittelgraue Tonalität getreten ist (Abb. 9, 10). Wie erheblich dadurch die eigentliche Kontrastwirkung und Farbigkeit der Darstellung beeinflusst wird, verdeutlicht anschaulich eine Rekonstruktion des ursprünglichen Erscheinungsbildes nach materiellem Befund (Abb. 14).

Jean Metzinger
Landschaft mit Baum, ca. 1906, Öl auf Pappe, 22,0 x 27,5 cm, WRM Dep. 847

Jean Metzinger

geb. am 25. Juni 1883 in Nantes,
gest. am 30. November 1956 in Paris

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 05

Detail Signatur, vermutlich gestempelt


Abb. 06

Detail des Pinselduktus im Streiflicht. Die roten Pfeile auf der Kartierung markieren die Richtung der Pinselführung


Abb. 07

Detail des Pinselduktus im Streiflicht; die roten Pfeile auf der Kartierung markieren die Richtung der Pinselführung


Abb. 08

Detail des Farbauftrags mit deutlichen Korrekturen in der Farb- und Formgebung (mit roten Pfeilen markiert)


Abb. 09

Detail im Himmel, die Auswirkung der verschmutzten grauen
Grundierung ist hier besonders drastisch: die weißen und gelben Pinselstriche haben sich ursprünglich dunkel
gegen die weiße Grundierung abgehoben, heute stehen sie jedoch im Kontrast heller, die Wirkung hat sich umgekehrt


Abb. 10

Der rote Pfeil markiert ein Detail der Grundierung, welche unterhalb eines Farbschichtausbruches in ihrem
ursprünglich weißen, noch unverschmutzten Farbton erhalten ist, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 11

Mikrofotografie des Querschliffs der Grundierung in
UV-Fluoreszenz (Anregungsfilter 350-380 nm) und im Auflicht:
reinweiße Schicht, bestehend vorwiegend aus Zinkweiß und
Protein-Bindemittel


Abb. 12

Rekonstruktion nach originalem Befund (ausgeführt durch Frau
Mareike Lintelmann)