Zusammenfassung/Besonderheiten

Mehr als ein Dutzend Mal schuf Luce ab 1890 und zunehmend in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts Gemälde mit der Ansicht der Kathedrale Notre Dame in Paris. Dieses Gemälde zählt zu einem der letzten der Serie und besitzt innerhalb derer nicht nur das größte Format, sondern zeigt auch die weiträumigste Darstellung der berühmten Pariser Kathedrale und ihrer Umgebung [Bouin-Luce/Bazetoux 1986, Bd. 2, Kat.-Nr. 143-157, S. 41-46]. Als Bildträger wählte Luce ein industriell vorgrundiertes Gewebe mittlerer Dichte, das mit authentisch erhaltener Aufspannung auf dem originalen Keilrahmen ein Maß außerhalb der französischen Standardformate aufweist (Abb. 2). Die weiße poren-füllende Grundierung bedeckt nur knapp die Strukturhöhen des Gewebes, wodurch nicht nur das vielfach durchbrochen wirkende Erscheinungsbild einzelner Farbaufträge, sondern der allgemeine Oberflächencharakter der Malerei beeinflusst wird. Vor der malerischen Ausführung fixierte Luce die wichtigsten Elemente der Architektur und Straßenzüge in einem zweistufigen Unterzeichnungsprozess (Abb. 9, 10). Eine Chronologie innerhalb der Farbaufträge ist nicht auszumachen, da sie sich allerorts an den Grenzflächen einzelner Bereiche oder Motive der Darstellung wechselseitig überlagern. Deutlich wird jedoch, dass Luce zunächst in überwiegend dünnen Farbaufträgen Farb- und Formgebungen festlegte. In hellen Partien, wie etwa dem bewölkt dargestellten Himmel, bezog er die weiße Grundierung durch Aussparungen bewusst mit ein (Abb. 4). Der Pinselduktus weist nur in Ausnahmen wie etwa der Treppe zur Seine am linken unteren Bildrand größere Strichlängen auf. Insgesamt dominieren kurze Striche mit wechselnder, sich vielfach kreuzender Auftragsrichtung sowie tupfende Farbaufträge, die in Details wie etwa den Figuren oder Pferden auf der Brücke an Feinheit zunehmen (Abb. 11). Der überwiegende Anteil der sich überlagernden Farbaufträge findet ohne Durchmischung statt, so dass zeitlich nicht näher zu definierende Trocknungsphasen innerhalb des fortschreitenden Arbeitsprozesses stattgefunden haben müssen. Eine nass in nass erfolgte Vermischung einzelner Pinselstriche ist nur in den obersten Schichten, anscheinend der letzten Arbeitssitzung, festzustellen. Die aufgetragenen Malfarben sind größtenteils rein pigmentiert und mit Weiß ausgemischt. Sie erzeugen daher insgesamt eine pastellähnliche Tongebung, innerhalb derer Farbwerte von Rosa bis zu Violett dominante Wirkung erhalten. Zuweilen lassen einzelne Pinselstriche auch den Transport und Auftrag unvollständig durchmischten Farbmaterials mit unterschiedlicher Pigmentierung erkennen (Abb. 12). Doch sind dies meist Farben, die im Spektrum des Lichts unmittelbar benachbart sind, wie etwa Blau und Violett. Die aller Voraussicht nach von Luce selbst angegebene Datierung innerhalb der Signatur seines Gemäldes in die Jahre zwischen 1901 und 1904 (Abb. 6) muss in Anbetracht einer im Rahmen dieser Untersuchung festgestellten Beschriftung auf der Geweberückseite mit der Aufschrift „Luce 1902-1904" (Abb. 7) in Frage gestellt werden.

Maximilien Luce
Notre Dame, Ansicht vom Quai Michel, 1901/1904, Öl auf text. Träger, 100,0 x 118,7 cm, WRM Dep. FC 692

Maximilien Luce

geb. am 13. März 1858 in Paris,
gest. 6. Februar 1941 ebenda

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 06

Detail, Signatur


Abb. 07

Detail, Geweberückseite, schwach lesbare Aufschrift vom Künstler und Bearbeitungszeitraum im normalen Auflicht (oben) und nach digitaler Bildbearbeitung (unten)


Abb. 08

Detail, Umschlag des Gewebes am unteren Bildrand mit erhaltener Webkante und Grundierrand


Abb. 09

Unterzeichnungslinie mit schwarzem Stift (Kohle?) und nachfolgend blauem Medium, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 10

Detail, Infrarotreflektogramm mit sichtbarer Erstanlage des Querschiffs weiter rechts als in der gemalten Ausführung


Abb. 11

Detail, minuziös stupfende Farbaufträge zur Darstellung von Menschen und Pferdewagen auf der Brücke


Abb. 12

Unterschiedlich pigmentiertes Farbmaterial, das sich erst im Strich vermischt, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 13

In die noch feuchte Malschicht eingedrückte Fassungsreste eines Zierrahmens, die auf der Malschicht zugewandten Seite ein orangerote Farbschicht erkennen lassen, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)