Zusammenfassung/Besonderheiten
Die Landschaft bei Rouen ist ein zweites Gemälde von Paul Gauguin aus dem Jahre 1884 in der Sammlung des Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud [Wildenstein 1964, Kat-Nr. 124, Wildenstein 2001, Kat.-Nr. 117]. Wie bei dem Gemälde Das Düngen der Felder [vgl. dazu WRM Dep. FC 663] entspricht auch dieser Bildträger dem Standardformat Figure 20 (73,0 x 60,0 cm) und zeugt davon, dass das Normmaß zumindest in dem Zeitraum seines Aufenthaltes in Rouen vom Beginn bis zum Spätherbst des Jahres 1884 zu den von Gauguin bevorzugten Formaten zählt: Von nicht ganz fünfzig dort geschaffenen Bildern besitzen immerhin zwölf diese Größe. Laut des Stempels auf der Rückseite wurde das auf einen Keilrahmen aufgespannte Textil bei der Farbenhandlung Latouche erworben (Abb. 4). Dieser traditionsreichen Malmaterialienhandlung war Gauguin über viele Jahre verbunden. Belegt ist dies nicht nur durch die bereits neun Jahre zuvor entstandene Malerei Die Seine beim Pont de Grenelle, ebenfalls im Besitz des Wallraf [vgl. dazu WRM Dep. FC 744], sondern auch durch bereits publizierte Befunde und Quellenstudien [Jirat-Wasiutynski/ Newton 2000, S. 205]. Ein sehr feines Gewebe mit vorgefertigter, gebrochen weißer Grundierung wählte Gauguin auch für diese Darstellung. Untersuchungen im Streiflicht, Durchlicht sowie das Röntgenbild verweisen darauf, dass der Künstler offensichtlich diesen Bildträger bereits bemalt oder zumindest teilbemalt hatte und für die sichtbare Darstellung ein zweites mal verwendete (Abb. 3, 4, 6, 10, 13). Die verworfene Komposition lässt sich nicht näher identifizieren, weicht allerdings, soweit durch die Auswertung der bildgebenden Verfahren einschließlich der stereomikroskopischen Untersuchung ablesbar, in Motiv und Farbigkeit von der sichtbaren gänzlich ab. Aufgrund einer Form in der rechten unteren Ecke, die an einen Heuhaufen erinnert, ist zu vermuten, dass der Bildträger für die Erstbemalung um 180° gedreht war (Abb. 6). Spuren einer vermutlich mit Kohle ausgeführten zeichnerischen Bildplanung finden sich bei mikroskopischer Betrachtung, allerdings ist nicht zweifelsfrei zu sagen, ob diese zur Erst- oder Zweitbemalung zu zählen sind (Abb. 9). Ein derartiger Befund deckt sich weitestgehend mit den Beobachtungen an den drei übrigen Gemälden Gauguins in der Sammlung des Wallraf aus einem Zeitraum von dreizehn Jahren. Gauguin verwendete viskoses Farbmaterial sowohl für die Erstbemalung als auch für die sichtbare Darstellung. Durch die wiederholten, bindemittelarmen Farbaufträge mit Trockenzeiten von unbestimmter Dauer ist die Oberflächentextur stark strukturiert und der Pinselduktus nahezu greifbar nachzuvollziehen. Das mehrfache Übereinanderschichten einzelner Farbaufträge mit darunterliegenden, strukturgebenden Pinselstrichen anderer Farbigkeit wird im Englischen zuweilen mit dem Begriff ‚corrugated textures’ bezeichnet [Kirsh/Levinson 2000, S. 138f.]. Bei mikroskopischer Betrachtung zeigen sich im Vordergrund lokal in wenigen Partien entlang des Weges runde, transparente und häufig gelblich wirkende Partikel, die in die Farbschicht eingebettet sind und möglicherweise in Zusammenhang mit chemischen Veränderungsprozessen stehen (Abb. 14). Ähnlichkeiten mit bereits veröffentlichten Befunden lassen vermuten, dass dieses Phänomen auf den Einfluss von Bleiseifen zurückzuführen ist [vgl. dazu Noble/Boon/Wadum 2002].

Paul Gauguin
Landschaft bei Rouen, 1884, Öl auf text. Träger, 74,0 x 60,0 cm, WRM Dep. FC 699

Paul Gauguin

geb. 7. Juni 1848 in Paris,
gest. 8. Mai 1903 in Atuona auf den Marquesas-Inseln

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite mit Stempel des Händlers Latouche (vgl. Abb. 7), darüber irrtümlicher Stempelansatz (Pfeil)


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlichtaufnahme zeigt unabhängig von der sichtbaren Darstellung verdichtete Bereiche im Himmel und Vordergrund, die auf mehrfache Farbaufträge bzw. eine Erstbemalung
schließen lassen (Pfeile)


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 06

Röntgenaufnahme, es werden vor allem im unteren rechten Bereich abweichende Strukturen einer darunterliegenden,
übermalten Anlage sichtbar, die an einen um 180° gedrehten Heuhaufen erinnern


Abb. 07

Detail, Händlerstempel der Fa. Latouche, leichtes
Streiflicht


Abb. 08

Detail, Signatur, auf die getrocknete Farbschicht
aufgebracht


Abb. 09

Geringfügige Mengen von Kohlepartikeln einer Unterzeichnung (Pfeile), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 10

Detail, rechte untere Ecke, Streiflichtaufnahme, unterliegende Strukturen einer übermalten Darstellung werden
erkennbar (vgl. Abb. 6)


Abb. 11

Mehrfache, nass auf trocken aufgebrachte Farbaufträge, die nur die Strukturhöhen streifen; der Pinselduktus ist
jeweils deutlich ablesbar, die Farbigkeit abweichend;
im Englischen wird dies auch als „corrugated textures“
bezeichnet, Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 12

Nass in nass vermalte Farbaufträge, Mikroskopaufnahme
(M = 1 mm)


Abb. 13

Bereich des vordergründigen Weges, Abfolge verschiedener Farbigkeiten, die ihren Ursprung in einer doppelten
Nutzung durch Erstbemalung und Zweitverwendung
des Bildträgers haben: Dunkelblau, Ocker, Orangerot, Graublau
(von unten nach oben), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 14

Transparente, oft leicht gelblich wirkende runde, feste Partikel, die sich in der Oberfläche der Malschicht
gebildet haben oder dorthin migriert sind (Pfeile), Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)