Zusammenfassung/Besonderheiten

Die Trocknende Wäsche ist das großformatigste von insgesamt fünf Gemälden dieses Motivs, dem sich Caillebotte zwischen 1888 und 1892 nicht weit von seinem Wohnsitz in Petit Gennevilliers widmete [Berhaut, Kat.-Nr. 366-370]. Eine kleinere Ölstudie bezieht sich direkt auf die große Komposition und könnte als Vorstudie gedient haben [Berhaut, Kat.-Nr. 367] (Abb. 12). Entgegen den Angaben von Berhaut entstand das Kölner Gemälde nicht im Jahr 1888, sondern einem Katalog des Durand-Ruel Archivs folgend vielmehr um 1892 [Caillebotte 1994, S. 304]. Caillebotte verwendete hier ein hellgrau vorgrundiertes Gewebe, das keinem der französischen Standardmaße entspricht, sondern im Sonderformat vom Pariser Händler Benoit/Deforge- Carpentier [Constantin 2003, S. 123] angefertigt und vermutlich auch aufgespannt wurde, worauf ein rückseitiger Stempel hinweist (Abb. 2). Die Größe des Bildes lässt zunächst vermuten, dass Caillebotte die Malerei im Atelier ausführte. Jedoch finden sich bei der stereomikroskopischen Untersuchung zahlreiche Belege, die – trotz des großen Formates – auf eine Entstehung im Freien hinweisen, darunter verschiedene Kratzer und Wischspuren, in die Farbe eingebettete Steinchen und Blatthülsen sowie eine kleine Blattknospe, die sich botanisch als Pappelknospe identifizieren lässt (Abb. 11). Damit ist ein direkter Bezug zum Motiv hergestellt, bei dessen Baumlandschaft es sich phänotypisch um Pappelbäume handeln könnte. Die erste planerische Anlage des Bildes erfolgte in zwei Stadien, zunächst mit Kohlestift und anschließend mit wenigen Pinselstrichen unterschiedlicher Farbigkeit, die nur die wichtigsten Kompositionslinien fixieren (Abb. 5, 6). Die anschließende malerische Ausführung erfolgte vorwiegend nass in nass, in vermutlich nur einer einzigen Arbeitssitzung. Bildbeherrschend ist die Reihe trocknender heller Wäsche, die an der Leine flattert, entlang des baumgesäumten Ufers der Seine. Tonal beschränkt sich Caillebotte hier auf wenige dominierende Farben, vornehmlich verschiedene Blau-, Grün- und Weißtöne in starken Helligkeitskontrasten, mit einigen in Rot und Gelb ausgemischten Farbakzenten durchwirkt. Zahlreiche Anzeichen weisen darauf hin, dass das Gemälde nicht vollendet wurde, wie bereits in der Vergangenheit verschiedentlich angenommen [Caillebotte 1994, S. 187; Caillebotte 2005, S. 147]. Im Vergleich zu anderen Werken aus Caillebottes Spätwerk ist die Trocknende Wäsche malerisch von sehr skizzenhaften Charakter, mit auffallend langen Pinselzügen und zahlreichen Auslassungen bis auf die hellgraue Grundierung (Abb. 4, 6, 8). Einen weiteren Hinweis auf den unvollendeten Status des Bildes könnte die posthum gestempelte blaue Signatur in der linken unteren Ecke geben (Abb. 7), jedoch finden sich im Werk Caillebottes noch andere Gemälde, die von ihm nicht signiert und dennoch nachweislich zu seinen Lebzeiten ausgestellt wurden [z.B. Caillebotte 1994, Kat.-Nr. 34].

Gustave Caillebotte
Trocknende Wäsche am Ufer der Seine, ca. 1892, Öl auf text. Träger, 105,5 x 150,5 cm, WRM Dep. 447

Gustave Caillebotte

geb. 19. August 1848 in Paris,
gest. 21. Februar 1894 in Gennevilliers

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite mit Händlerstempel


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

Kartierung der Befundstellen zur Kohleunterzeichnung, mit Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 06

Detail, Pinselunterzeichnung im Bereich der Hausboote


Abb. 07

Detail, Signatur mit Mikroskopaufnahme (M = 1 mm)


Abb. 08

Detail Weg, offene, skizzenhafte Malweise


Abb. 09

Detail Wäsche, pastoser Farbauftrag


Abb. 10

Detail Blattwerk, pastoser Farbauftrag


Abb. 11

In die Malschicht eingebettete Pappelknospe im Detail (links) und in der Vergrößerung (rechts oben, Mikroskopaufnahme, M = 1 mm), botanische Zeichnung
einer Pappelknospe im Vergleich (rechts unten)


Abb. 12

Gustave Caillebotte,Ölstudie zu Trocknende Wäsche am Ufer der Seine, 54,0 x 65,0 cm, Privatbesitz