Abb. 09

Detail oberer Bildrand, reinweißer Grundierungsauftrag auf der cremefarbenen, handelsüblich vorgrundierten Leinwand

Zusammenfassung/ Besonderheiten

Anfang des 20. Jahrhunderts besuchte Paul Signac einige der großen Häfen Europas, darunter Marseille, Venedig, Rotterdam, London, La Rochelle und 1907 auch Konstantinopel, das heutige Istanbul. Dabei sammelte er seine bildlichen Eindrücke in Zeichnungen und Aquarellen, um später im Atelier einige dieser Ideen in divisionistischer Manier auf die Leinwand zu bringen. Sein ins Jahr 1909 datiertes Gemälde „Stamboul, Yeni Djami“, wie Signac den Titel mitsamt Signatur und Datum handschriftlich auf der Rückseite des Keilrahmens notierte, entstand nach einer solchen Aquarellstudie, die das Motiv des Bildes bereits präzise vorgibt (Abb. 13). Signac führte seine Malerei auf einer handelsüblich cremeweiß grundierten Leinwand im querrechteckig verwendeten Standardformat Figure 25 aus, die er einem rückseitigen Etikett zufolge beim Künstlerbedarf Lucien Lefebvre-Foinet in Paris erwarb (Abb. 2). Um seiner Darstellung maximale Lumineszenz zu verleihen, trug er eine weitere reinweiße Grundierungsschicht auf, wie er sie in seiner Schrift „D’Eugène Delacroix au néo-impressionisme“ bereits propagierte: „Es ist merkwürdig, wie die Neo- Impressionisten selbst in den kleinsten Details ihrer Technik die Ratschläge Delacroix praktisch befolgen. Sie malen nur auf weiss präpariertem Grund, weil dessen Licht die farbigen Pinselstriche durchleuchtet und ihnen so mehr Glanz und Frische verleiht.“ (Signac 1908, S. 24; Abb. 9). Ein Teil des Motivs, wie die Moschee und das Segelboot am linken Bildrand sowie das Ruderboot im Vordergrund, wurden vom Künstler mitsamt der Horizontlinie in Graphit- oder Bleistift auf die Grundierung gezeichnet (Abb. 6, 8). Der nachfolgende in divisionistischer Maltechnik ausgeführte Farbauftrag folgt genau dieser Unterzeichnung ohne weitere Änderungen in der Komposition vorzunehmen. In regelmäßigem Rhythmus liegen die einzelnen Farbstriche nur teilweise leicht überlappend nebeneinander, wobei zwischen ihnen Freiräume entstehen, in denen die weiße Grundierung und auch Teile der Unterzeichnung sichtbar bleiben. Gemäß der neoimpressionistischen Farbtheorie folgen die mit Weiß und den im Spektrum benachbarten Farben ausgemischten Farbaufträge in pastosem Duktus der Richtung des jeweiligen Motivs (Abb. 10). Erfreulicherweise ist das Gemälde bis heute ungefirnisst geblieben und bewahrt damit den authentischen, von Signac beabsichtigten, matten Oberflächencharakter der Malerei.

Paul Signac
Konstantinopel. Yeni Djami, 1909, Öl auf text. Träger, 66,0 x 81,5 cm, Kunstsammlung NRW, WRM Dep. 970

Paul Signac

geb. am 11. November 1863 in Paris,
gest. am 15. August 1935 ebenda

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Weitere Abbildungen:

Abb. 02

Rückseite mit Händleretikett


Abb. 03

Streiflicht


Abb. 04

Durchlicht


Abb. 05

UV-Fluoreszenz-Aufnahme


Abb. 06

Infrarotreflektogramm


Abb. 07

Detail in UV (oben) und Auflicht (unten) mit weißen Farbaufträgen von unterschiedlicher UV-Fluoreszenz, die auf den Gebrauch zweier Weißpigmente, vermutlich Bleiweiß und Zinkweiß, hinweisen


Abb. 08

Detail Moschee, Bleistiftunterzeichnung


Abb. 09

Detail oberer Bildrand, reinweißer Grundierungsauftrag auf der cremefarbenen, handelsüblich vorgrundierten Leinwand


Abb. 10

Details Himmel (oben) und Wasserfläche (unten), mit variierender Auftragsrichtung und stellenweiser Durchmischung der Farben im Farbauftrag


Abb. 11

Details der vier Bildecken mit Löchern, die vermutlich auf eine temporäre Fixierung der Leinwand hinweisen


Abb. 12

Detail der Signatur und Datierung


Abb. 13

Paul Signac, Konstantinopel. Yeni Djami, um 1909, Apuarell, Bleistift und Tusch auf Papier, 20,8 x 25,7 cm (Privatbesitz)